Der dirigent
„Singen ist ein Abglanz der Seele.“
René Collo
Die menschliche Stimme ist mit Sicherheit das älteste unter allen Instrumenten. Jeder von uns verfügt über einen unverwechselbaren Stimmcharakter, welcher trotz der Verschiedenheit in der Hamonie des Chorsingens vereint werden kann – oder nicht. Oft nicht. Es ist öfter zu erleben, dass diese Harmonie fehlt, Chor und Chorleiter stehen unmotiviert auf der Bühne und produzieren nur eine qualitativ durchschnittliche Musik. Was düfte wohl das Problem sein? Als ich an einer Meisterklasse mit Norbert Balatsch, dem ehemaligen Chordirektor des Richard-Wagner-Festspielhauses in Bayreuth teilgenommen habe, hat er uns folgende Gedanken übermittelt: „Ein Chor ist immer das akustische Spiegelbild des jeweiligen Chorleiters.“ Anders gesagt: Es gibt keinen guten Chor mit einem schlechten Chorleiter und vice versa. Wow! Da liegt also das Problem. Chormusik zu machen ist ein wunderbares Teamspiel zwischen Chor und Chorleiter, aber auch zwischen den einzelnen Sängern. Es bedarf einer wahren Begabung, einzelne Menschen, unabhängig von Alter und musikalischer Bildung zu harmonischer Einheit zu verschmelzen. Dazu trägt der Charakter des Leiters unheimlich viel bei. Der zweite wichtige Aspekt ist meiner Meinung nach die eigentliche musikalische und literarische Deutung von Musik und Text. Erwin Ortner, Leiter des renomierten Arnold Schönberg Chores in Wien, sagte einmal: „Am Anfang war das Wort…“ Er meinte damit, dass auch das Studium des Textes und die dadurch erweckten Gefühle und Ideen der erste Schritt im Arbeitsprozess eines Chorleiters sein muss. Als Chorleiter verlange ich deshalb immer, dass die Sänger „emotional“ das Stück erleben anstatt bloße Noten zu wiederzugeben. Es ist ein hörbarer Unterschied, ob ein Chor gefühlsmäßig mitmacht oder nicht. Meine Chöre wurden oftmals in Zeitungen gelobt mit Schlagwörtern wie „innige Aufführung“, „äußerst motivierte Gruppe“ (Kleine Zeitung) „Perfekte Einstudierung“(Die Woche) oder „strahlende Gesichter“ (Kronenzeitung) Das Publikum merkt es, wenn ein Chor seine Gefühle in die Musik miteinbringt. Dies hebt einen guten von einem mittelmäßigen Chor ab. Im Hintergrund steckt die intensive und motivationale Arbeit des Chorleiters. Und das ist die wunderbare Aufgabe und Kraft, die mich am Chorleiten besonders fasziniert und antreibt.
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